Transkript – Pränatale Inklusion und Psychosoziale Beratung

 Katharina Kasper-Stiftung
(Ursula Rieke)

 

Sehr geehrte liebe Zuschauer und Zuhörer. Mein Name ist Ursula Rieke. Ich leite die Katharina Kasper-Stiftung, eine Fachberatungsstelle im Kontext von Pränataldiagnostik und zu erwartender Behinderung.

Heute soll es um das Thema pränatale Inklusion gehen und wie weit wir mit psychosozialer Beratung und gesellschaftlichen Umständen damit umgehen.

Ich werde Sie in diese Themen führen. Wir werden also erst allgemein über die Beratungsstelle sprechen. Dann gibt es ein paar juristische Infos. Dann Informationen über den Ablauf unserer Beratung. Und ich würde Ihnen dann Methoden pränataler Diagnostik zeigen oder zumindest auf die wesentlichen eingehen.

Dann folgen ein paar Fallbeispiele, und dann werden wir diese noch einmal beleuchten bezogen auf Inklusionsaspekte.

Ja, das ist das, was Sie jetzt erwartet.

Wenn Schwangere, wenn Paare, Familien ein Kind erwarten, Wunschkind, Kinderwunsch, diese Themen gehen durch die Medien, dann hat man zunächst ja nicht im Blick, dass auch alles nicht glattlaufen könnte. Und dass es eben nicht nur darum geht, ob es ein Junge oder Mädchen wird und welche Augen- oder Haarfarbe er hat oder sie, sondern vor allen Dingen auch dass es um die Gesundheit oder vielleicht sogar um das Überleben dieses Kindes gehen darf.

Wir als Beratungsstelle sehen gerade bei Schwangerschaften, die sehr viele Komplikationen haben, Risikoschwangerschaften sind, gerade in Zeiten, wo viele Ältere sich noch zu einer Schwangerschaft entscheiden, und viele Berufsgruppen beteiligt sind, die die Schwangeren betreuen, aus ganz verschiedenen Kontexten. Also Fachärzte und sage ich eher der Hausgynäkologe und dann natürlich wohlmöglich Psychologen oder irgendwelche anderen Beratungsstellen.

Also wir sehen in diesem großen Bereich eben die Notwendigkeit, dann an der Seite der Frauen, die im Mittelpunkt des Ganzen natürlich stehen, zu stehen, und mit ihnen zusammen Diagnosen oder Wartezeit auf Diagnosen oder Umgang mit Entscheidungen, also diesen Weg zu begleiten.

Es ist so, dass wenn eine Diagnose gestellt wird oder wenn eine Behinderung oder Auffälligkeit beim Kind zu erwarten ist, dann kommen Eltern ganz plötzlich in eine Entscheidungssituation, die vor allen Dingen natürlich auch davon abhängt, wie schwerwiegend die Behinderung ist, oder ob das Kind Phase eine Überlebenschance hat.

Wird es also von dem Wunschkind und den Träumen, die man mit diesem Kind hatte, geht es auf einmal in eine Situation, dass es um ein anderes Leben mit diesem Kind geht, um Einschränkungen, um vielleicht auch Abschiednehmen von dem Kind, von dem Leben dieses Kindes.

In so einer Situation gibt es den Weg, sich für dieses Kind mit Beeinträchtigungen zu entscheiden, den Weg, mit diesem Kind zu gehen. Wie gesagt, aber das hängt auch ganz stark von der Art der Beeinträchtigung, von der Diagnose ab.

Es gibt den Weg der Entscheidung, dass eine Pflegefamilie oder eine Adoptionsfamilie, also dass die Schwangerschaft ausgetragen wird und eine Adoption angestrebt wird.

Es gibt die Entscheidung, und das wäre der Fall, wenn man weiß, dass das Kind keine Überlebenschance hat, die Entscheidung die Schwangerschaft trotzdem weiter bis zum Geburtstermin oder kurz davor auszutragen und quasi den Weg des Abschieds, des Sterbens mit dem Kind zu gehen.

Der Fachbegriff, angelehnt an die Palliativmedizin in der Erwachsenenmedizin ist die Neopalliativmedizin. Und es gibt den Weg der Entscheidung, dass es zu einer vorzeitigen Beendigung der Schwangerschaft kommt. Eventuell findet diese auch später schon statt, eventuell mit einem Fetozid.

Diese Wege der Entscheidung, das muss man im Vorfeld sagen, und egal was suggeriert wird, alle Wege erfordern eben Trauer für die Eltern, und es gibt keinen per se unkomplizierten Weg, sondern alle Wege erfordern eben ein Umdenken. Wir sprechen von vielleicht anderen Reiseführern, als man vorher hatte für eine unkomplizierte Schwangerschaft. Und alle Wege erfordern auch eine Abschiedsarbeit von diesem gesunden Kind, wie ich es mir erträumt habe, und sich klarzumachen, es gibt keinen leichten Weg, den ich wählen kann.

Wenn dieser Weg, und das ist etwas, was wir in dieser Entscheidung begleiten, wenn dieser Weg zu einem Ende der Schwangerschaft führt, zu einem Abbruch, dann ist es nochmal wichtig zu sagen, die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche, die quasi diese Art Arbeit betreffen, das sind knapp 4.000 aus medizinischen Gründen pro Jahr in Deutschland. Und von denen sind eben etwas über 600 sogar noch etwa nach der 22. Schwangerschaftswoche.

Die restlichen fast 100.000 Schwangerschaftsabbrüche erfolgen sehr viel früher, nämlich in dem ersten Schwangerschaftsdrittel, aus sozialer Indikation.

In dem Zusammenhang ist es mir wichtig, dass wir auf das Juristische eingehen und kurz noch einmal zeigen, das ist eine Graphik für den Verlauf der Schwangerschaft von der Einnistung bis zum Geburtstermin, dass unsere Beratung, Begleitung anders als Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, wo es um die ersten drei Monate einer Schwangerschaft geht, bei uns um eine medizinisch-soziale Indikation geht, die bis zur Geburt des Kindes, die Eltern in Konflikte bringen kann oder eben zu Entscheidungen führen kann aus verschiedenen Gründen, eben auch zu einem Abbruch führen kann.

Diese Indikation ist eine mütterliche Indikation. Das ist immer ganz klar zu betonen, auch wenn wir gleich über pränatale Diagnostik sprechen, dass suggeriert wird, dass wenn wir beim Kind etwas finden, dass dann das der Grund sein kann, die Schwangerschaft zu beenden. Das ist so nicht, und das ist juristisch auch nicht haltbar.

Die Begründung geht immer von der Mutter aus, und man muss schauen, ob es bei der Mutter, und es könnte ja eine schwerwiegende psychische, depressive Erkrankung bei der Mutter sein, dass sie sich nicht in der Lage fühlt, diese Schwangerschaft mit diesem Kind fortzuführen, oder die Mutter hat eine Tumorerkrankung oder bei der Mutter wird etwas gefunden.

Es ist ganz wichtig zu sagen, die Diagnose des Kindes spielt so gesehen erstmal keine Rolle, wir schauen immer auf die Mütter und natürlich heutzutage auf die Paare.

Dieses Schauen auf die Paare, diese Begleitung der Paare, die von jetzt auf gleich aus einer glücklichen, vielleicht unkomplizierten Schwangerschaft in eine Situation geraten, wo Diagnosen gestellt werden, wo ein Befund erwartet wird, der im Moment noch fraglich ist. Diese Beratung und Begleitung ist das, was wir als Katharina Kasper-Stiftung und als Beratungsstelle seit 2004 anbieten.

Uns ist ganz wichtig, dass wir neben den vielen Terminen, die die Eltern in solch einer Situation haben, Arzttermine, Kontrolltermine, Diagnostik, vielleicht viele Gespräche mit Freunden, mit Eltern, oder eben auch mit niemandem, dass sie das ganz mit sich alleine ausmachen, dass wir in dieser Zeit mit dem Paar eine Entschleunigung hinbekommen. Eine Auszeit, eine Ruhezeit gewinnen, in der das Paar sich mit einem unabhängigen Ansprechpartner, der nicht verwickelt ist in den familiären Kontext, in dem System, das es da gibt, den vielen guten Ratschlägen, die unterwegs sind, also dass wir in dieser Zeit den Raum geben, dass die Paare die Chance haben, alles auszusprechen, was ihnen an Gefühlen kommt, die Enttäuschung, vielleicht Wut, die Tränen, die fließen, und dass eben Zeit insofern gewonnen wird, um zu sagen: Sie müssen nicht von jetzt auf gleich z.B. jetzt einen Abbruch machen oder die Entscheidung treffen, wobei bei ganz schweren Diagnosen der Impuls ganz oft da ist.

Das ist uns ganz wichtig, das werden wir füllen und wir halten mit Ihnen gemeinsam auch Überlegungen, Gespräche, wir halten mit Ihnen Wartezeit und Unsicherheiten aus, und wir achten eben darauf, dass Sie selbst erst mal klar werden auch mit dem, was sie wollen.

Und das ist bei Paaren oft ja auch so, dass ein Paar sich per se nicht immer einig ist. D.h., dass es auch darum geht, einen gemeinsamen Weg zu finden, zu dem beide stehen, und nicht am Ende einer Entscheidung zu sehen, der Partner trägt den Weg, den ich jetzt gewählt habe, nicht mit.

Zwischendrin ist es sicher auch so etwas wie eine Schockstarre, wo einfach auch eine Sprachlosigkeit da ist, und wo die beteiligten Paare erstmal die Erfahrung machen müssen: Wir haben die Zeit, wir machen nichts übereilt.

Dann werden wir mit dem Paar zusammen die Handlungsspielräume, die ich eben erwähnt habe, die Wege, die jetzt möglich sind, weiterleben mit dem Kind mit der Beeinträchtigung, das aushalten, dass dieses Kind nicht lange zu leben hat und trotzdem zu sagen, wir geben dem Kind den Zeitpunkt und lassen die Schwangerschaft weiterlaufen. Und die andere Überlegung eben mit Adoption oder diesen Angeboten, Pflegefamilie.

Ganz wichtig ist, und ich denke, dass man das auch in der Gesellschaft deutlich machen muss, es muss eine Entscheidung dieses Paares sein. Und es muss eine Entscheidung sein, mit der dieses Paar tragfähig auch weiter in Zukunft leben kann, und gut weiterleben kann. Und dass eben nicht der Eindruck entsteht, dass mache ich jetzt aus Druck von irgendeiner Seite, sondern erst einmal muss das so wachsen.

Wenn dieses entsteht, dass man sagt, die Entscheidung ist gefallen, dann muss man sich trotzdem bewusst sein, diese gute Hoffnung, etwas, was früher ein Synonym für Schwangerschaft war, diese gute Hoffnung, die gibt es oder das nehmen wir auch so wahr, sieht man schon immer seltener, weil eben Risikoschwangerschaften von Beginn an zahlenmäßig zunehmen, und Eltern immer in diesem Gefühl sind, es könnte ja, sage ich mal, in irgendeiner Art und Weise eine Auffälligkeit sein.

Und es wird z.T. auch sehr nahegelegt, möglichst viel an Diagnostik, an Untersuchungen zu machen. Und da ist uns auch ganz wichtig zu sagen, die Entscheidung, wieviel Diagnostik gemacht wird, neben natürlich den medizinischen  Empfehlungen und Hintergründen, liegt trotzdem auch bei diesen Eltern, und auch darüber müssen sie selbst sich einig sein, welche Konsequenzen auch bestimmte Untersuchungen haben, und wieviel Wissen über mein ungeborenes Kind ich haben möchte oder wieviel Wissen mir guttut.

Damit wären wir beim nächsten Punkt, nämlich zum Wissen über pränatale Diagnostik.

Pränatale Diagnostik – und ich habe nochmal mitgebracht ein altes Hörrohr, was vielleicht manchen von Ihnen noch bekannt ist. Meine Oma war Hebamme, und das wurde damals ja benutzt, das war die pränatale Diagnostik, die wir hatten neben Tastbefunden eben, ob das Herz schlägt. Und man konnte mit Fühlen eben vielleicht noch die Lage des Kindes bestimmen oder wie die Beweglichkeit war.

Diese Zeit ist natürlich schon lange vorbei, und da wird heute drüber geschmunzelt, dass man sagt, man würde eine Schwangerschaft so angehen, dass man sagt, ich verlasse mich da drauf.

Und dabei geht es gar nicht unbedingt direkt um sogenannte invasive Maßnahmen, wo Eingriffe gemacht, die auch ein Abbruchrisiko haben, darauf möchte ich heute auch gar nicht eingehen, auf die Amniozentese oder die Chorionzotten-Biopsie. Ich möchte bei den sogenannten nicht invasiven Methoden bleiben und die per se erstmal auch gar nicht so stark als Einschränkung, oder eben weil sie kein Risiko haben, als pränatale Diagnostik wahrgenommen werden. Z.B. die Ultraschalluntersuchung. Ihnen ist sicher auch bekannt, dass Ultraschall eher wahrgenommen wird so ein bisschen wie Babyfernsehen, die Verbindung zum Kind herzustellen, zu wissen, welches Geschlecht wird das Kind haben, und man sich nicht klarmacht, dass natürlich Ultraschall pränatale Diagnostik beinhaltet, und dass in dem Fall etwas gesehen werden kann, was auffällig ist, woraus man Konsequenzen ziehen muss. Ich sage mal eine Spina Bifida, ein Anzeichen, dass ein offener Rücken vorliegt oder eine Auffälligkeit an der Nasenwurzel, an der Gesichtsform, an der Nackenfalte, dass man an eine Chromosomenstörung denkt oder andere Fehlbildungen.

D.h. jeder, der schwanger wird und auch diese Untersuchungen macht, der sollte sich bewusst sein, natürlich in der Regel und weit über 90 Prozent der Schwangerschaften sind ja unauffällig und auch diese Untersuchungen können dazu beitragen, dass man beruhigter ist, und dass man sich an seinem Kind freuen kann, buchstäblich ein Bild von seinem Kind hat. Aber es kann auch anders sein. Und unsere Beratungsstelle hat eben genau dann damit zu tun, wenn es anders ist.

Eingehen möchte ich als Nächstes dann von den nicht invasiven Methoden – eine Blutuntersuchung in dieser Diagnostik, noch auf den sogenannten Präna-Test, der ja als Präna-Test in aller Munde ist. Wobei ich davor warne, diesen Begriff so zu verwenden, weil Präna ein Markenname ist. Und es gibt ganz viele Hersteller, die diese sogenannten nichtinvasiven pränatalen Tests machen können. Es ist ein Bluttest, den wir seit 2012 für Schwangere, noch sind es Selbstzahler. Aber die Kosten bewegen sich inzwischen im Rahmen von knapp 200 €, sind also von weit über 1.000 gesunken. Dieser Bluttest ist vor allen Dingen in der Lage, bei Chromosomenstörungen die Trisomie 21, das Down-Syndrom zu diagnostizieren, dann noch die Trisomien 13 und 18 und noch wenige andere. Aber die Hauptbedeutung hat dieser Test eben für das Downsyndrom. Und er gilt so landläufig, und das macht uns manchmal Sorgen oder Angst, als ein Screening auf Downsyndrom.

Wir wissen, dass dieser Test in Deutschland erst ab der 12. Woche offiziell zugelassen ist, d.h. jenseits der Möglichkeit einen Abbruch aus sozialen Gründen zu machen. Möglich wäre dieser Test, und er ist z.T. im Internet zu bestellen oder er ist im Ausland durchzuführen, möglich ist dieser Test schon ab viel früheren Schwangerschaftswochen. Also man spricht schon ab der sechsten oder ab der neunten Schwangerschaftswoche, kann man aus mütterlichem Blut einen Hinweis darauf bekommen, dass eine Chromosomenstörung, eben vor allen Dingen Downsyndrom vorliegt. Und er gilt als Test, d.h. er muss dann bestätigt werden durch eine Fruchtwasseruntersuchung. Aber die Zuverlässigkeit dieses Testes ist sehr sehr hoch. Insofern ist dieser positive Test immer für die Eltern die Situation, dass sie dann mit dem Gedanken sich befassen, dass das Kind ein Downsyndrom haben wird oder eine Form einer Trisomie.

Das ist vielleicht angesichts eines Fallbeispiels nochmal anzusprechen. Und ich wollte als Erstes auf eine Familie eingehen, die aufgrund so eines Testes völlig unerwartet den Hinweis bekommen hat, dass ein Downsyndrom vorliegt. Und das Ganze wurde dann auch durch eine Fruchtwasseruntersuchung bestätigt. Und für diese Familie kam das so aus heiterem Himmel. Ein Zitat von der Mutter war: „Man denkt, es ist Routine, und es ist einfach nur eine Untersuchung, es wird schon alles gut sein. Und auf einmal ist eben nicht alles gut. Auf einmal bleibt die Welt stehen.“

Und der Impuls war zunächst da, das schaffen wir nicht dieses Kind mit Downsyndrom können wir nicht austragen. Das geht, das passt nicht in das Familienkonzept. In dem Fall waren sehr schwere soziale Verhältnisse. Es waren noch einige andere Kinder da, es war alles sehr kompliziert.

Wir haben sehr viele Gespräche geführt, es gab sehr viele Tränen, es gab sehr viel Auszeit, nochmal. In diesem Fall ist die Entscheidung der Eltern für das Kind gefallen. Und es ist ein kleiner Junge, der heute drei Jahre alt ist, geboren, der ein Downsyndrom hatte mit vielfältigen Auffälligkeiten. Auch das ist ja immer sehr unterschiedlich, das Spektrum. Dieser Junge ist ein geliebtes Kind, und er wird sehr getragen in der Familie, weil die Vorbereitung sehr intensiv war. Man muss aber sagen der Lebensalltag ist für diese Familie eine große Herausforderung. Der Kleine hat viele Gesundheitsprobleme, hat schon einige Operationen hinter sich.

D.h. wenn ich von tragfähiger Entscheidung spreche, d.h. tatsächlich, dass diese Entscheidung über die nächsten Jahre, über das Leben dieses Kindes weiter tragen muss. Und immer die Frage: Wer unterstützt diese Familien, wo können sie andocken, im Bereich Selbsthilfe, im Bereich der professionellen Hilfe weiterkommen.

Dann haben wir eine Familie als Beispiel mitgebracht. Da gab es die Diagnose Turner-Syndrom, das ist eine Geschlechtschromosomen-Veränderung, das X0-Syndrom.

Diese Diagnose war sehr spät gestellt worden in der 22. Schwangerschaftswoche. Es war für die Eltern völlig unerwartet auch. Es war zunächst auch ein großer Schock. Im Zusammenhang mit der Information über diese Chromosomenauffälligkeit, wo die Prognose ja für Kinder sehr gut ist, und wo auch die Auffälligkeiten sich sehr im Normfall im Rahmen halten.

In diesem Entscheidungsprozess mit viel Abwägung haben die Eltern sich für dieses Austragen des kleinen Mädchens mit Turner-Syndrom entschieden. Dieses Kind entwickelt sich wirklich auch sehr gut, und ist die Freude seiner Eltern. Trotzdem habe ich den Fall nochmal gewählt, weil es so ist: die Eltern tragen die Situation sehr gut und gehen mit dem Kind wirklich sehr gut um und haben liebevolle Unterstützung im Freundeskreis und in der Umgebung. Aber die Herkunftsfamilien beider Eltern, also quasi die Großeltern hadern oder haben sehr sehr lange mit dieser Entscheidung gehadert. Da sind sehr viele Vorwürfe gekommen und sehr viele Unsicherheiten im Raum gewesen. Etwas, was auch aufgefangen werden muss, und etwas, was den Paaren die Zeit mit dem kleinen Baby auch nicht immer leicht gemacht hat.

Und da nähern wir uns unserem Thema Gesellschaft, wie geht die Umgebung damit um, nochmal stärker an. Es geht eben nicht nur um das betroffene Paar, sondern es geht um das Umfeld, was dieses Paar umgibt.

Das nächste Fallbeispiel war eine schwerwiegende Diagnose einer Glasknochenkrankheit in der 16. Schwangerschaftswoche. In diesem Fall war es bei dieser Diagnose so, dass das Kind schon sehr viele Knochenbrüche hatte, und im Verlauf der nächsten Zeit immer mehr Knochenbrüche dazukamen, und die Mutter es psychisch nicht mehr ausgehalten hat. Sie hat wörtlich gesagt: „Ich habe Angst, wenn ich mich irgendwo hinsetze oder wenn ich mir einen Reißverschluss an der Hose zumache, dass ich dann zu viel Druck ausübe, und wieder eine Rippe bricht oder was beim Kind passiert.“

Also das war eine nicht tragfähige Belastung für die Mutter, die psychisch schon dabei war zu dekompensieren. In diesem Fall ist im Zusammenhang mit der Beratung eine Einleitung der Geburt dann in der 18. Schwangerschaftswoche durchgeführt worden. Und dieses Kind ist verabschiedet worden. Es gab Trauerrituale, intensive Verabschiedung, aber es gab da den Weg der Beendigung, der vorzeitigen Beendigung der Schwangerschaft.

Das waren die Arbeitssituationen, die Gesprächssituationen, in den wir als Beratungsstelle immer vorgeburtlich tätig sind, aber eben sagen, dass wir den Blick über die Geburt hinaus haben, wie das Leben weitergeht.

Und im weiteren Leben, das ist ja Ihr Thema hier bei der Inklusionsmesse, soll ja der Umgang von Menschen mit Beeinträchtigung, der Umgang mit Behinderung ganz neu gedacht werden, und mit der Inklusionsdebatte sollen neue Ansätze gefunden werden, die das Leben noch einmal für alle Beteiligten gemeinsam besser annehmen können und lebenswerter machen.

Der Gedanke, der uns immer beschäftigt, spielt diese Inklusion pränatal auch schon eine Rolle. Oder anders gesagt, eine gelungene Inklusion, hat die Auswirkung auf die Entscheidung von Eltern, wenn sie in der Schwangerschaft eine Diagnose bekommen.

Ich zitiere hier von der Marion Baldus, die sehr viel von Annahme, von Kindern mit Downsyndrom und den Bedingungen der Eltern, die dazu geforscht hat. „Eltern mit einem behinderten Kind sind allerdings auf die Unterstützung und Bestärkung ihrer praktizierenden Haltung durch gesellschaftliche Kräfte und gesellschaftliche Institutionen, die den Faden der Inklusion aufgegriffen haben, da sind diese Eltern mitgetragen und können diesen Faden dann weiterspinnen. Sie sind darauf zwingend angewiesen“.

D.h. der Anspruch ist wirklich, dass man nicht diese ganze Thematik nur auf die Eltern für sich zurückwerfen darf, und auch nicht die Entscheidung.

„Inklusion beginnt, wenn die Eltern bei einer pränatal diagnostizierten Behinderung „Ja“ zu ihrem Kind sagen, und mit dieser Entscheidung eine gesellschaftliche Unterstützung erfahren.“

Gibt es diese gesellschaftliche Unterstützung? Gibt es solche wirksamen Faktoren? Wirkt Inklusion wirklich pränatal?

Ich nehme Bezug auf eine Masterthesis, die ein Sozialarbeit Studierender an der Fachhochschule Köln 2013 geschrieben hat, der die These hatte, dass zwischen pränataler Diagnose und der Inklusion, dass da ein Zusammenhang besteht, und dass Inklusion Auswirkungen haben mag auf den Entscheidungsprozess von Eltern nach pränataler Diagnose.

Von seinen Gedanken her hieße es, dass nach der Ratifizierung der UN-Menschenrechtskonvention und den Aktionsplänen zur Umsetzung in den einzelnen Bundesländern, dass sich eine daraus sich entwickelnde inklusive Gesellschaft, Entscheidungen von Eltern für das ungeborene Kind mit einer Beeinträchtigung, dass sie das beeinflussen.

Er hat jetzt angesichts, also zu der Zeit waren eben die Interviews, das waren nicht so viele. D.h. es können erst mal nur Impulse sein.

Bestätigt waren aber auf jeden Fall inklusiv wirkende Faktoren, die Einstellung, die generelle Einstellung zum Schwangerschaftsabbruch, die Eltern vorab schon mitgebracht haben, wie sie geprägt waren durch ihren religiösen oder sozialen Kontext. Und sicher war auch ein Faktor, die Einstellung generell zu Behinderung, und das Wissen um Behinderung.

Und dieses Wissen um Behinderung eben beeinflusst von Kontakt zu Menschen mit Behinderung im Bereich Selbsthilfe, aber auch beruflicher Kontakt, wer aus der Behindertenarbeit kam. Also diese Faktoren haben die Entscheidung auf jeden Fall geprägt.

Darüber hinaus gewichtig war eben auch dieser Umgang mit der pränatalen Diagnostik. D.h. im Vorfeld schon zu wissen, wenn ich diese Untersuchung mache, was kommt da auf mich zu, und werde ich Konsequenzen daraus ziehen oder wie gehe ich dann mit einem Ergebnis um, wenn es auffällig ist.

Also dieses Wissen um pränatale Diagnostik, das sind auch Studien der BZGA, da gibt es noch Bedarf, da mehr Informationen den Eltern zu liefern und auch z.B. in leichter Sprache wirklich zu erläutern, dass es eben nicht darum geht, alles einfach nach Schema abzuarbeiten, sondern zu sagen: Den Schritt der Untersuchung, wenn ich diesen Bluttest mache, dann steht da ein Ergebnis, und mit dem muss ich umgehen, und aus dem ziehe ich vielleicht auch eine Konsequenz.

Und was ganz wichtig und deutlich war, und das kann keine Beratungsstelle, die im Nachhinein mit Eltern in Kontakt ist, die Haltung und die Wortwahl des diagnoseübermittelnden Arztes, also quasi derjenige, der als erster mit den Eltern diese Befunde bespricht. Diese Haltung, welches Wort er gesagt hat, wie annehmend oder wie tröstlich oder auch wie besorgt er war, das sitzt ganz tief bei den Eltern, und das hat ganz großen Einfluss auf die Entscheidung und den weiteren Weg, den Eltern gehen.

Ich habe Ihnen einen Auszug aus diesen Interviews, die gemacht wurden, mitgebracht, und möchte einfach – da ging es darum, dass ein Kind mit Downsyndrom angenommen wurde.

„Natürlich kriegen sie das Kind, ja also, ein Downsyndrom ist doch nichts Besonderes, im Vergleich zu anderen Kindern und zu anderen Lebensmöglichkeiten.“

Und sie sagte dann den schönen Satz: „Das ist Inklusion, wenn es eben nicht so was Besonderes ist.“

Und der geht mir im Zusammenhang mit dieser Thematik sehr nach, dass wir sagen müssen, wenn es uns tatsächlich gelingt zu sagen, Behinderungsbilder, Formen von Auffälligkeiten sehen wir in den Kindertagesstätten, sehen wir in Schulen, sehen wir im gesellschaftlichen Miteinander sehr viel häufiger, dann ist es in dieser Form eben nicht mehr diese Besonderheit, die uns aus der Bahn wirft.

Und vor dem Hintergrund komme ich jetzt zu meinem Fazit. Es geht um pränatale Inklusion, und es geht um psychosoziale Beratung.

Und wichtig ist mir, zu sagen, diese psychosoziale Beratung, diese unabhängige Begleitung der Eltern über die medizinischen Aspekte und die anderen Aspekte hinaus, ist wichtig, ist aber kein Allheilmittel und ist sicher auch nicht für jeden etwas. D.h. es muss eine freie Entscheidung sein.

Es ist aufgrund – die Situationen sind eben so komplex, und jede Situation ist anders, und die Sachlage ist auch natürlich immer anders, dass man sehr gut hinschauen muss und nicht allgemeine Leitfäden oder allgemeine Wege aufstellt. Sondern wir sagen, es gibt immer nur diesen Menschen, dieses Paar, und es gibt für diesen Menschen, dieses Paar seinen / ihren eigenen Weg. Und das ist das Ziel, wenn dieser Weg für dieses Paar gefunden wird. D.h. sie finden ihre eigene tragfähige Entscheidung. Und natürlich muss man für die Folgen des Handelns mit in den Blick nehmen eben die Haltung von Beratenden auch, also christlich-ethisch mit in den Blick zu nehmen.

Das ist uns vor allen Dingen auch wichtig, weil das Ungeborene eben keinen Fürsprecher hat. Es geht um dieses Kind bei den Entscheidungen, auch wenn es mütterliche Indikationen hat. Aber auch dieses Kind, das Leben des Kindes, braucht jemanden, einen Fürsprecher, der diese Position auch noch einmal in den Blick nimmt.

Und neben der Position des Kindes geht es um die Position der Eltern natürlich. Also die psycho-physische Gesundheit und die familiäre Lebenssituation, das muss machbar sein, und da muss Unterstützung sein. Und das dürfen wir als Gesellschaft nicht vergessen, wenn wir vielleicht dazu neigen, dass wir eine Entscheidung von Eltern verurteilen, die aber auf dem Hintergrund gefallen ist, dass sie die Erfahrung gemacht haben, dass Menschen mit Kindern mit Behinderungen alleingelassen werden oder zu Außenseitern werden oder auch dass einfach da eine große Unsicherheit herrscht.

Das war zu der Beratung. Dann geht es noch einmal um die Inklusion und die inklusiven Faktoren. Das können wir so schon festhalten, dass inklusive Faktoren das Gesamtklima in der Annahme von Menschen mit Behinderung beeinflussen und wohlmöglich auch schon das Klima in der Schwangerschaft. Dass man in der Buntheit und der Vielfalt für sich im Hinterkopf hat, dass zur Vielfalt gehört, dass mein ungeborenes Kind zu denen gehören könnte. Wo eben nicht alles glattläuft.

Aber wie auf Dauer die Ergebnisse der Partizipation, Bundesteilhabegesetz, der ganzen Neuerungen sind, da muss die Forschung natürlich weitergehen.

Somit arbeiten wir alle gemeinsam, und ich gehe davon aus, alle, die diesen Vortrag hören, die sich für diese Themen interessieren, wir arbeiten an der Umsetzung der Inklusion. Und wir hinterfragen sie natürlich auch, weil auch da gibt es ganz individuelle Situationen, wo man nicht pauschal sagen kann, diese Art von Beschulung ist genau das richtige für das Kind, diese Kita ist die ideale Bedingung. Auch da muss man sehr individuell schauen.

Wir hinterfragen sie also und passen die Inklusion den Menschen an, so dass man sagt, dass die Vielfalt des Lebens gesehen wird, und dass man eben da ein Klima von Annahme schafft.

Ich fand in dem Zusammenhang das Buch „Manche Angst in Zuversicht verwandelt“ sehr schön, zu sagen, wenn uns das gelingt im Zusammenspiel von professionellen und Alltagsexperten zu der Thematik, dann sind wir einen großen Schritt weiter.

Ich danke Ihnen für Ihr Zuhören, für Ihr Zuschauen und dafür, dass Sie sich die Zeit genommen haben, und wünsche Ihnen für heute noch viele Impulse und einen guten Tag.